Hail, Rose, have mercy, I mistook you, I took you for what
exactly yesterday, for a Stein, a stone among migratory birds.
It was a waterbird, & I in the throat pouch a rootless
duckweed, so as to bloom in other places, other waters.
Take pity on my secrecy. I am the lord who dwelt with you
& with her at the same time. We flew along Carpathian hills,
above the Southern Bug. On Bukovinian questions, where homeland
begins, memory ends, I place faith in the question marks. We flew
over monastic woodsmoke, past liturgical calls from monks
drumming the hours, toaca beats extending a heavenly ladder
toward & beyond us. We said prayers with the Orthodox,
the monks who climbed up to us, the Copts, Greeks, Armenians,
Russians, Bulgarians, (Lithuanians, Latvians, & Estonians).
Do you know what I think, Rose? That Romanian mothers
raise their sons to be monks. They teach them from an early age
to make salată de vinete. Using a mini hatchet whittled
out of beechwood, the little monk tats up grilled eggplant
into little lace doilies on a portable semantron board.
He learns how to beat the toaca & a few simple rhythms,
& so he prays unwittingly. So they lean the anti-ladder
up against the wall of the memory chapel. Had I climbed down
yesterday, I could have gone & visited whatever lies buried
beneath the skull’s roof. But maybe it would have been closed.
You know, Kafka’s coachman said—or was the coachman Kafka?—
when he came to a tall wall & needed to stop the carriage.
He said it was a forehead. The coast is only clear in hindsight,
which drives us berserk with worry. So we flew onward
above longing, longing & loss, above the pain, unmirrored pain.
We flew above the memory, the painful reminder, flew straight
as the waterbomber flies, to Năvodari on the Black Sea coast.
To me that sea seems like a reservoir of moments,
moments of Mary Magdalene. The madeleines
to my moments are salted corn kernels & watermelons.
In Transylvania German, watermelons are Wasserpäddem,
lubeniță in Romanian. I always called them lebeniță, as if I,
German-less, were unaware what life meant today. So, salted
corn kernels & watermelons. In that order. B before
C, B after A, salt before sweet after salt. I’d lick
salted corn like wild mountain seeds, then I’d gobble
kernels, & after sucking dry the soft-cooked cob,
even gobbled at said cob. The watermelons had it even worse
with the monk’s inner animal. Those milk teeth would
stop at nothing. Green watermelon rinds, red flesh,
black seeds, an end made of nothingness. But shouldn’t
the moment be viewed from a temporal distance if it is to become
one at all? There are those who invoke Christ’s pre-existence
& perhaps the others, who are myself, should be invoking
Madeleine’s. A kind of interlaced remembering, like hands
folded in prayer & what belongs with what & what to whom & who
to whom, why & when, has no bearing on the issue. No matter
whether I also … the corn in Năvodari … In that very order
then. Salt before sweet after salt. Like an irreparable clogging
of cerebral vessels that erases the sense of chronology.
& so I imagine these are moments of dementia. Dark
& luminous at once. Again, Rose, accept my greetings & have
mercy, I mistook you for, confused you for someone else,
an apparition of migratory waterfowl, & I in the throat pouch
rootless duckweed, as I was meant to bloom elsewhere. Take pity,
for I am the lord who has dwelt with you & with her at once,
erroneously divine adulterer. How did this mix-up come to be?!
I thought of her law of identity, in which your name is named four
times, & you vanish from time to time. She cleared you up
like a misunderstanding & incorporated it into me.
Hail, Rose & Stein, full of grace, blessed are you
among people, blessed be your body & corpus.
from: Alexandru Bulucz, was Petersilie über die Seele weiß © Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung GmbH, Frankfurt am Main 2020
Seid gegrüßt, Rose, erbarmt Euch, hab’ Euch verwechselt, gestern
für was denn gehalten, einen Stein, einen Stein im Vogelzug.
Der war ein Wasservogel, u. ich im Kehlsack eine wurzellose
Zwerglinse, um an anderen Orten, in anderen Wassern zu blühen.
Habt Gnade mit mir Verborgenem. Ich bin der Herr, der bei Euch
u. bei ihr zugleich gewesen. Wir flogen Karpatenhügel entlang,
über den südlichen Bug. Den bukowinischen Fragen, wo Heimat
beginne, Erinnerung ende, glaub’ ich die Fragezeichen. Wir flogen
über Holzrauch von Klöstern, über liturgische Rufe aus Stunden-
trommeln von Mönchen, toaca-Klänge spannten eine Himmelsleiter
auf uns zu u. über uns hinaus. Wir beteten mit den Orthodoxen,
den Mönchen, die zu uns heraufkletterten, den Kopten, Griechen,
Armeniern, Bulgaren, Russen (den Litauern, Letten u. Esten).
Ahnt Ihr, Rose, was ich glaube? Dass die rumänischen Mütter
ihre Söhne zu Mönchen erziehen. Früh schon zeigen sie ihnen,
wie salată de vinete gemacht wird. Mit dem aus der Buche
geschnitzten Äxtlein klöppelt der kleine Mönch das Fruchtfleisch
der gegrillten Aubergine klein auf dem Brett aus Stundenholz.
Er lernt die Schlagtechnik u. erste freie Rhythmen für die toaca.
So also betet er u. weiß es nicht. So also lehnen sie die Gegenleiter
an die Wand der Erinnerungskapelle. Wäre ich gestern hinunter-
geklettert, ich hätte, was unter der Schädeldecke begraben liegt,
aufsuchen können. Aber vielleicht wäre sie geschlossen gewesen.
Ihr wisst ja, was Kafkas Kutscher – o. war der Kutscher Kafka? –
sagte, als er an die hohe Mauer kam u. die Fahrt einstellen musste.
Er sagte, es sei eine Stirn. Nur rückwärts steht nichts im Wege,
sodass wir verrückt vor Kummer werden. Also flogen wir weiter
über Lust, Lust u. Verlust, über den Schmerz, den nicht gespiegelten.
Wir flogen über das Gedächtnis, das schmerzlich erinnerte, flogen
eine Löschfluglinie stracks nach Năvodari ans Schwarze Meer.
Dieses Meer scheint mir wie ein Sammelbecken der Augenblicke,
der Augenblicke Maria Magdalenas. Die meinen Augenblicke
Madeleines sind gesalzener Kukuruz u. Wassermelonen.
In Siebenbürgen nennt man die Wassermelone Wasserpäddem.
Rumänisch lubeniță. Ich nannte sie stets lebeniță, als ob
ich deutschlos nicht wusste, was heute Leben heißt. Gesalzener
Kukuruz u. Wassermelonen also. In dieser Reihenfolge. Jener vor
diesen, diese nach jenem, Salz vor Süße nach Salz. Ich leckte
gesalzenen Kukuruz wie das Wild Bergkerne, dann fraß ich
Körner, u. nach Aussaugen des Kolbens, des weichgekochten,
fraß ich Teile des Kolbens selbst. Mit dem Tier im Mönch erging
es den Wassermelonen noch schlimmer. Die Milchzähne
machten Halt vor nichts. Grüne Fruchtrinde, rotes Fleisch,
schwarze Kerne, ein Ende aus nichts. Aber muss man den Augen-
blick nicht aus zeitlicher Distanz betrachten, damit er überhaupt
zu einem solchen wird? Die einen reden von der Präexistenz Christi,
vielleicht sollten die anderen, die ich bin, von derjenigen Madeleines
reden. Eine Art verschränktes Erinnern, wie die zum Gebet
gefalteten Hände, u. was zu was u. was zu wem u. wer zu wem
warum u. wann gehört, tut nichts zur Sache. Es spielt keine Rolle,
ob ich den Kukuruz auch in Năvodari … In dieser Reihenfolge
also. Salz vor Süße nach Salz. Wie eine irreparable Verkalkung
von Gefäßen im Hirn, die das Gefühl für Chronologien löscht.
Also stelle ich mir vor, dass es Demenzaugenblicke sind. Dunkel
u. leuchtend zugleich. Noch einmal, Rose, seid gegrüßt u. erbarmt
Euch, ich habe Euch verwechselt, für eine andere gehalten,
eine Wasserzugvogelerscheinung, u. ich im Kehlsack die wurzellose
Zwerglinse, da ich andernorts blühen sollte. Habt Gnade,
denn ich bin der Herr, der bei Euch u. bei ihr zugleich gewesen,
irrtümlich göttlicher Fremdgeher. Wie es zur Verwechslung kam?!
Ich dachte an ihren Satz der Identität, in dem Euer Name vier Mal
genannt ist, u. Ihr verschwindet von Mal zu Mal. Sie hat Euch
wie ein Missverständnis ausgeräumt u. es mir einverleibt.
Seid gegrüßt, Rose u. Stein, voll der Gnade, gebenedeit seid ihr
unter den Menschen, gebenedeit sei euer Leib u. Korpus.